Kunst als Balance zwischen Unvoreingenommenheit und Kontrolle

Zu den Wahrnehmbarkeitsgrenzen von westlicher Unschärferelation und dem fernöstlichen Begriff des satori im ZEN.

Ich als Individuum bin an gewisse real existierende Gegebenheiten gebunden.
Ich bin ein Kind meiner individuellen und kollektiven Gegebenheiten.
Ich stecke im wahrsten Sinne des Wortes in (m)einer Haut, aus der ich nicht heraus kann.
Mehrere Häute umhüllen mich, die genetischen, pädagogischen, kulturellen, historischen und sonstigen individuellen Schichten. Als wahr-nehmendes Wesen kann ich mir all dieser bewußt werden und sie reflektieren.
Es ist wohl die größte Leistung des Geistes, Realität aufzuspüren, auch wenn dies nicht in letztendlich absolutem Maße möglich ist. Realität hat nichts zu tun mit Wahrheit oder letzter Absolutheit. Realität ist Existenz, Bewußtheit und Freiheit von sämtlichen Kategorien.

Ähnlich dem Begriff Unschärferelation aus der Physik, bei der mit zunehmender Genauigkeit die Messung eine Unschärfe aufzeigt und somit zu einem falschen Ergebnis führt, beeinflußt meine Wahrnehmung ebenfalls meine „individuelle“ Realität. In dem Moment, in dem ich ein Ziel verfolge, einen Plan, ein Programm oder eine Idee habe, bin ich bereits voreingenommen, so daß ich nicht mehr objektiv sein kann. Das Wollen vernichtet meine Realitätsfähigkeit.

Der naturwissenschaftliche Mensch weiß, daß nur eine Annäherung an die Realität gemessen werden kann. Ähnlich kann ich als wahrnehmendes Individuum nur vorgehen. In dem Moment, in dem ich mein Wollen, meinen Plan, meine Idee, ja alle Kriterien, Bewertungen und sonstige geistigen Schubladen aufgebe, fällt ein Schleier vor meinen Augen und es öffnen sich die „Pforten meiner Wahrnehmung“. Dieser Akt, der im ZEN satori genannt wird, entspricht quasi einem „Heraustreten aus den Grenzen, aus den Hüllen.“

Nicht das Verneinen meiner Wahrnehmung ist der richtige Schritt, denn auch er führt nicht zu Genauigkeit und Objektivität. Zur Realitätsfähigkeit führt nur das Freisein von jedweder Bestrebung, dies eröffnet die Möglichkeit der Realitätsbildung. Und dies ist ein Möglichkeiten schaffender konstruktiver Akt. Erst wenn ich fähig bin, die „kunstlose Kunst“ auszuüben, erst wenn ich etwas tue, nicht aus einem Willensakt heraus, sondern weil es meine „innere Natur“ tut, erst wenn ich es tue, weil ich es sowieso tun würde, ja erst wenn ich im Tun aufgehe und mich selbst und meine Gegebenheiten vergesse, erlange ich jene angesprochene Realitätsfähigkeit, die frei ist von meinen individuellen Grenzen.

Ich bin also keineswegs gebunden in Platons Höhle. Als der Gegebenheiten bewußtes Individuum bietet sich mir die Möglichkeit, Realität zu formen, die frei ist von jeglicher Kategorisierung. Und dies dürfte wohl der am meisten beglückende Umstand für die Ausübung von Kunst sein.

Da diese Freiheit ein „bewußter“ Akt ist, ist sie auch frei von Chaos – sie ist ein bewußter Zustand. Erfolgreiches Tun ist nicht eine Frage der exakten Verfolgung eines exakten Plans – vielmehr ist es das Resultat bewußten Tuns. In dem Moment, in dem das ablenkende Ich zurücktritt und das Individuum in seinem Tun vollkommen aufgeht, wird es jene Dinge tun, die letztendlich zur größtmöglichen Blüte führen.

Zur Galerie (1 Foto)

 


int. = mehrsprachig, <EXT> = externer Link

Statischer Link:
http://www.zonesystem.de/html/deutsch/galerie/balance/

Sie dürfen diese Homepage gern verlinken!

Autoreninformation:

Bodo P. Schmitz fotografiert seit 1994 im Großformat (FN1)<EXT> (int.) und seit ca. 1998 ausschließlich in schwarzweiss (FN2)<EXT> (int.). Er führt sämtliche Arbeitsschritte von der Bildidee bis zur Vergrößerung auf Barytpapier (FN3)<EXT> (int.) selbständig aus. Nach reiflicher Überlegung hat er sich dazu entschlossen, im künstlerischen Bereich den analogen Weg weiter zu gehen. Weitere Projekte:

www.linux-praktiker.de: Tipps & Tricks zu Linux aus der Hand eines versierten Praktikers
www.mutbuergerdokus.de: Dokumentation von Zeitgeschichte und zivilgesellschaftlichem Bürgerengagement

 

Impressum

Datenschutz